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Klimawandel und Gletscherschwund

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Der Hitzesommer 2003

Der Sommer 2003 ist dem Berggänger mit abnormer Sommerhitze und dramatisch abschmelzenden Gletschern in Erinnerung geblieben. Gletschertouren wurden inmitten von Blankeis, Spaltenlabyrinthen und haltlosen Schuttteppichen mehr als mühsam. Wer wählen konnte, wird seine Tourenplanungen umgestellt haben. Auch in den Folgejahren blieben die Temperaturen im langjährigen Vergleich deutlich erhöht. So wird das eigene Tourenbuch zu einem Spiegel der Wetter- oder gar Klimaverhältnisse.
Spalten am Hocheiser, Hohe TauernUrsache ist der Rückzug des Permafrosts [1] in immer höhere Gipfelregionen. Der Dauerfrost bindet den Fels des Hochgebirges wie mit Mörtel. In der vom Tauprozess betroffenen Höhenlage fallen Wände und Grate geradezu auseinander. Aus dem DAV Panorama 6/2003 (gekürzt):
Der Normalweg auf den Mont Blanc war nicht nur am schon länger berüchtigten Grand Couloir, sondern fast im ganzen Abschnitt zwischen Tête-Rousse- und Goûter-Hütte wegen gewaltiger Felsstürze und Steinschlag so gefährlich, dass nach mehreren Todesfällen und Unfällen am 9. August vorsorglich 38 Bergsteiger per Helikopter vom Goûter-Grat evakuiert wurden, die wegen des ständigen Steinschlags nicht mehr absteigen konnten. Nachdem auch der Hüttenwirt abstieg, blieb mitten in der Hauptsaison die Normalroute ohne Hüttenstützpunkt. Die Alternativroute ab Aiguille du Midi und Cosmiques-Hütte war in der Flanke des Mont Blanc du Tacul stark von Eisschlag bedroht und wies u.a. eine acht Meter hohe senkrechte Steileispassage auf, an der zuletzt ein Fixseil angebracht wurde, was stundenlange Stauungen nicht verhindern konnte. Auch der Zugang ab Plan de l’Aiguille zur Grand-Mulets-Hütte durch die Séracs de Jonction war zunehmend von Eislawinen und Eisabbrüchen bedroht. Auch am Matterhorn führten ungewöhnlich große Felsstürze und anhaltender Steinschlag zu Sperrungen von Normalrouten.
In den Vorjahren sah es nicht besser aus. Im Hochstubai verloren Lifte und Gebäude im Sommerskigebiet im auftauenden Grund den Halt und stürzten ein. Auch das Freilegen der Gletschermumie Ötzi am Hauslabjoch und etlicher Hinterlassenschaften aus den Weltkriegen ist dem Gletscherschwund zu verdanken.

Die letzten 10.000 Jahre

Die Frage ist nun, wie das Klimageschehen der jüngsten Zeit einzuordnen ist. Dass es für die Erde kein bestimmtes Temperaturniveau gibt, ist bekannt, man denke an die Eiszeiten. Diese können nicht auf menschliche Einflüsse zurückgeführt werden. Das Geschehen von heute könnte jedoch als Auswirkung menschlichen Zutuns betrachtet werden.
Ein Blick auf wenige Jahre berechtigt nicht, Aussagen über Klimaphänomene zu machen. Klimatologen betrachten darum Zeiträume von mindestens 30 Jahren, besser noch wesentlich längere Zeitspannen.
Gut ablesen lässt sich die Klimageschichte der Erde in den Eismassen an den beiden Polen, die aus dem alljährlich fallenden und zu Eis komprimierten Schnee entstanden sind. Das älteste Eis auf der Erde, in der Ost-Antarktis unmittelbar dem Gesteinsgrund aufliegend, dürfte vor rund 500.000 Jahren gebildet worden sein. Aus der Untersuchung von Pflanzenpollenverteilung und des Verhältnisses der Sauerstoff-Isotope in Bohrkernen kann der Spezialist wie aus einem Geschichtsbuch lesen.
Weitere wertvolle Hinweise über das Klima aus der jüngeren Zeit finden sich selbstverständlich in den Jahresringen der Bäume, aber auch in Kirchenbüchern und im Bereich der Steuererhebung (Ernten). Selbst entfernte Bereiche wie die Landschaftsmalerei können herangezogen werden. So entdeckt man auf den Bildern von Rembrandt (1606 - 1669) zugefrorene Kanäle bei Amsterdam, manche davon datiert im Mai.

In den 10.000 - 12.000 Jahren die seit der jüngsten Eiszeit verstrichen sind, dem Holozän, leben wir trotz subjektiv anderer Empfindung in einer Zeit mit einem stetigen und zuverlässigen Klima. Das ist nicht selbstverständlich. In der letzten Zwischeneiszeit und der folgenden jüngsten Eiszeit, die gut 100.000 Jahre dauerte und erst vor etwa 10.000 Jahren endete, zeigt das Klimaprofil für menschliche Maßstäbe unvorstellbare Ausschläge, allerdings auf einem insgesamt tieferen Temperaturniveau.
Im Alttertiär, vor 65 bis etwa 30 Mio. Jahren, waren die Verhältnisse gänzlich anders. Tropische Wälder bedeckten Mitteleuropa, soweit es Festland war. Aus den Funden Wärme liebender Bäume folgert, dass damals der Nordpol frei von Eis war. Darauf trat eine deutliche Abkühlung ein. Im Ausgang des Tertiär, vor etwa 1,5 Mio. Jahren, herrschte in unseren Breiten ein Klima, das dem heutigen entspricht. Im anschließenden Diluvium trat dann eine mehrfache Vereisung ein. Im alpinen Raum erkennt man vier Vereisungsperioden [7]:

Periode Beginn Ende
1. Günzeiszeit 600000 550000
2. Mindeleiszeit 480000 420000
3. Rißeiszeit 230000 180000
4. Würmeiszeit 120000 12000

Abb. 1: Alpine Vereisungsperioden

Sie ließen, von Skandinavien und den Alpen ausgehend, gewaltige Gletscherlandschaften entstehen. In der Zeit der größten Vereisung war in Deutschland nur ein Raum von knapp 300 Kilometern eisfrei. Dieser war von arktischer Tundra bedeckt, wie man sie heute von Nordsibirien kennt.

Die Eiszeiten waren vermutlich nicht nur stürmisch und staubig, sondern es fiel auch kaum Schnee. Weite Teile der Ozeane waren eisbedeckt, so dass immer weniger Feuchtigkeit verdunsten konnte. Bei derartigen Prozessen stören sich häufig gegenläufige Komponenten, u.a. die unterschiedliche Trägheit von Medien wie Wasser (Ozeane) und Gas (Luft). So hinkt die Abkühlung der Ozeane bei einer Eiszeit hinter der des Festlandes um etwa 3000 bis 5000 Jahre hinterher. Damit ist am Beginn einer Eiszeit das Meer viel wärmer als gegen Ende. Erst gegen Ende der jeweiligen Eiszeiten waren die Ozeane völlig ausgekühlt. Ebenso wie sie bei der Abkühlung hinter den Kontinenten zurückgeblieben waren, brauchten sie, als das Inlandeis zu schmelzen begann, auch mehr Zeit für die Wiedererwärmung. Wie man sieht, handelt es sich hier bereits um ein verschachteltes System.

In den Mythen fast aller Kulturen findet man Hinweise auf die Klimaverhältnisse. Während der letzten Eiszeit lag der Meeresspiegel über 100 Meter tiefer als heute. In der Übergangszeit am Ende der jüngsten Eiszeit änderte sich das Klima verblüffend rasch, bis es sich auf das uns heute bekannte Niveau einpendelte. Dabei stieg innerhalb von nur 500 Jahren das Meer um alleine 20 Meter. Die Britischen Inseln wurden isoliert, Sibirien wurde von Alaska getrennt, die indonesische Inselwelt geschaffen. Für diesen Anstieg war größtenteils schmelzendes Antarktiseis verantwortlich. Die Bibel nennt diese Zeit Sintflut. Nachdem Noah seine Arche mit allen Tieren ins Trockene gebracht hatte, begann eine bis heute anhaltende klimatisch äußerst stabile Zeit. Seit Ende der letzten Eiszeit liegen die Temperaturen durchgängig höher und zeigen wesentlich weniger Schwankungen. Für den Menschen bedeutsame Schwankungen gab es dennoch. Die auffälligste Schwankung ist die so genannte Kleine Eiszeit, die um 1200 n. Chr. einsetzte und erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts endete. In dieser Phase war das Weltklima kälter als je seit der jüngsten Eiszeit.

Mitteltemperaturen (12k)
Abb. 2: Bodennahe nordhemisphärische Mitteltemperaturen der letzten 10.000 Jahre
(verändert nach Dansgaard et al., 1969, und Schönwiese, 1995)

Ein kurzer Abriss der letzten 10.000 Jahre:

  • Bereits kurz nach dem letzten Vorstoß der eiszeitlichen Vergletscherung stößt der Wald in den Alpen mit Zirbe, Lärche, Latsche, Föhre und Wacholder in die noch heute beheimateten Höhen vor. 7000 bis 6500 v. Chr. folgt die Fichte, und um 4000 v. Chr. die Tanne, teils gemeinsam mit der Buche. Die nur noch relativ geringen Schwankungen von ± 1,5 Grad Celsius in den Alpen lassen bis heute die Wald- und damit die Schneegrenze um höchstens ± 150 Höhenmeter pendeln [8].
  • Bis 5500 v. Chr. Überflutung der Deutschen Bucht und der Ostsee.
  • Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur hält Tausende von Jahren an. Um das Jahr 4000 v. Chr. erreichen die Temperaturen ihren Höhepunkt, sinken für tausend Jahre wieder auf die Ausgangstemperatur um für 1.000 Jahre ein zweites Optimum zu durchlaufen. Während dieser beiden größten Maxima liegen die Durchschnittstemperaturen in manchen Weltgegenden fast 3 Grad Celsius höher als heute, im Schnitt der Nordhalbkugel immerhin um 1 Grad. Um 3000 v. Chr. gibt es dabei eine verheerende Dürrezeit, die man in den Texten des alten Ägypten beschrieben findet. In Ägypten häuft der Wind in den ausgetrockneten Betten der einst aus der Sahara kommenden Flüsse Sand und Erdreich an, und die jährliche Flutmarke des Nil sinkt erheblich ab. Während in den niederen Breiten Dürre herrscht, wird es in Europa nördlich der Alpen immer kälter und feuchter. In den Gebirgen dehnen sich wieder die Gletscher aus, und Wälder verwandeln sich in Sümpfe. In Nordamerika verlassen die Paläo-Eskimos ihre Jagdgebiete im hohen Norden und wandern südwärts nach Labrador und in das Gebiet der Hudson-Bay, während sich zum ersten Mal nach dem Ende der Eiszeit in den Rocky Mountains südlich der heutigen kanadischen Grenze wieder Gletscher bilden.
  • Ab 2000 v. Chr. beginnen die Temperaturen auf der Nordhalbkugel, von einer Wärmephase unterbrochen, insgesamt abzusinken um kurz auf eine prägnante Tiefstmarke zu fallen.
  • Um etwa 450 v. Chr. kehrt sich der Trend um und es ist erneut ein Anstieg zu vermerken. Der Aufstieg des römischen Reiches steht bevor.
  • Ab 300 n. Chr. sinkt die Welttemperatur wieder um 1 Grad Celsius ab. Bis 800 n. Chr. bestimmt nun wieder eine Trockenperiode das Klima. Dies hat in Innerasien große Auswirkungen. Auf der über Jahrhunderte von Kamelkarawanen benutzend Seidenstraße kommt der Handelsverkehr zum Erliegen. Die Austrocknung der von Nomaden genutzten Weideflächen Zentralasiens löst die große Völkerwanderung aus. In einer Kettenreaktion drängen zentralasiatische Völker westwärts bis nach Europa, wo sie letztlich das römische Reich unterwandern. Belege für die große Dürre finden sich auch in Arabien und Nordafrika. Zwischen 600 - 700 n. Chr. müssen in Arabien trotz ausgeklügelter Bewässerungssysteme endgültig weite Nutzflächen aufgegeben werden.
  • Bis 1000 bewegen sich die Temperaturen wiederum einem neuen Höhepunkt zu. Perioden starken Gletscherschwunds von 950 bis ungefähr 1200 bestätigen die Erwärmung der Erde während der Zeit, als die Wikinger Grönland (dänisch für grünes Land) besiedeln und ihre Landwirtschaft (!) dort gedeiht.
  • Ab 1200 wird es jedoch zunehmend kälter. Im Jahre 1351 wird der Weg nach Island vom Meereis versperrt, um 1500 muss die letzte Wikingersiedlung in Grönland aufgegeben werden. Die Abkühlung in Europa betrug ab 1200 im Mittel 1 Grad Celsius. Bis 1850 ist, obwohl es immer wieder Schwankungen nach oben und unten gab, eine stetige Tendenz zu kühlerem Wetter festzustellen. Die stärkste Abkühlung setzt um 1500 ein. Damals begann eine markante Kälteperiode, die man als Kleine Eiszeit bezeichnet. Folge waren Pest, Hungersnöte und Kriege im Mittelalter. Der von 1618 bis 1648 dauernde Dreißigjährige Krieg fällt in eine Periode großer Gletschervorstöße in Europa. Am Fuße des Mont Blanc werden erst Hochalmen und schließlich ganze Siedlungen unter vorstoßenden Gletschern begraben, etwa am Glacier de Bionnassay. Sagen und Mythen aus dem gesamten Alpenraum nehmen auf diese Bedrohung genauso Bezug wie einige uns heute geläufige Namen (z.B. die Blüemlisalp, ein Gletscherberg im Berner Oberland, oder die Übergossene Alm für den Plateaugletscher am Hochkönig). Von 1700 an bleibt es beinahe ununterbrochen kalt mit einer weiteren Ausdehnung der Alpengletscher. Das Neoglazial, wie es die Klimatologen nennen, hält bis ins 19. Jahrhundert hinein an.
  • Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Kältephase beendet. Bis Ende des 20. Jahrhunderts steigt die globale Durchschnittstemperatur um 0,6 Grad Celsius an. In den vergangenen 1000 Jahren gab es keinen stärkeren und rascheren Anstieg. Die Schneebedeckung hat abgenommen, überall auf der Erde ist nun ein Gletscherrückgang zu beobachten. Berühmt ist z.B. der riesige Eissturz am Altels im Berner Oberland, wo in einer Nacht beinahe der gesamte Eisschild der riesigen Nordflanke zu Tal donnert.
    Die Dicke des Meereises im arktischen Spätsommer hat etwa um 40 Prozent abgenommen. Die Ozeane haben sich erwärmt und der Meeresspiegel ist im globalen Mittel angestiegen.
  • Ab 1990 verstärkt sich der Trend mit neun der zehn wärmsten Jahre im 20. Jahrhundert. Die Folgejahre setzen den Trend fort. In Deutschland waren die Jahre 2000 und 2007 die im Mittel wärmsten, 2003 das drittwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahre 1861 [2]. Der wärmste Winter der letzten 500 Jahre ist in Europa denn auch der von 1989/1990, der kälteste war der von 1708/1709. Die jüngste, mit durchschnittlich vier Grad über dem Soll liegende, bemerkenswerte Periode in Deutschland war das Winterhalbjahr von September 2005 bis April 2006.

Im Zeitraum von Christi Geburt bis heute stieg die Weltbevölkerung von 0,25 auf 6,5 Milliarden Menschen an. Das Wachstum - und damit der Umweltverbrauch und die Luftemissionen - verläuft dabei, von kleineren Schwankungen abgesehen, nicht linear sondern exponentiell. Das Klimageschehen entspricht somit nicht dem Wachstum der Weltbevölkerung, zumindest nicht nach uns bekannten Modellen.

Die Gegenwart

Gletscherschwankungen sind also über Jahrtausende nachweisbar. Die heutige Ausdehnung der Eisflächen ist allerdings so gering wie seit einigen tausend Jahren nicht mehr. In den Anden etwa sind die Eisflächen in den 90er Jahren doppelt so schnell geschrumpft wie in den vorangegangenen 25 Jahren, in Peru etwa schmolz in den letzten 30 Jahren ein Viertel der Gletscherflächen ab. In den Alpen hat sich nach 1850 die Fläche der Gletscher halbiert, das Volumen ging sogar auf ein Drittel zurück. Die im Vorfeld der meisten Gletscher gut erkennbaren mächtigen Ufermoränen sind eindrucksvolle Zeugen für den einstigen Hochstand. Allein dieser Eisschwund ist ein klarer Beweis dafür, wie markant sich das Erdklima seither verändert hat. Viele der AV-Berghütten, vor 150 Jahren (gegen Ende der Kleinen Eiszeit!) errichtet, liegen heute unsinnig 100 Meter und mehr über dem Gletscherzugang, so wie die Konkordia-Hütte über dem tief abgesunkenen Aletschgletscher. An der Pasterze, der unter dem Großglockner gelegene größte Talgletscher der Ostalpen, lag im Jahre 1878 (früheste Anlage von Messmarken) das Zungenende im heutigen Stauraum des
Margaritzensees. Heute findet man das Zungenende erst zwei Kilometer taleinwärts. Tourenbeschreibungen, keine 30 Jahre alt, erwähnen Gletscherüberschreitungen am Hochkönig, Ankogel, Petzeck oder Monte Pelmo, wo man heute bereits über frei gelegte Gletscherschliffe klettert.
Selbst ohne menschliche Eingriffe ist das Klimasystem zu teils drastischen Schwankungen fähig. Ob die jüngste Phase der Erwärmung seit 1850 jedoch menschengemacht ist, kann in einem komplexen und chaotischen System kaum bewiesen werden, wie z.B. Abb. 2 zeigt. Dass die gewaltigen Veränderungen an der Vegetation und die riesigen Emissionsmengen das Klima beeinflussen, ist jedoch unstrittig. Die atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid, einem wichtigen Treibhausgas, ist heute höher als während der letzten 400.000 Jahre, allerdings deutlich niedriger als während verschiedener älterer Eiszeiten [9]. Als Hauptursache des Kohlendioxid-Anstieges wird häufig die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas angeführt. Satellitenmessungen belegen, dass natürliche Veränderungen in der Sonnenstrahlung und im Vulkanismus zusammen in den letzten Jahrzehnten eher einen leicht kühlenden Einfluss hatten und somit die Erwärmung der letzten 50 Jahre nicht erklären können.
Die Menschen waren in ihrer Geschichte nicht nur die Leidtragenden von Klimaänderungen, sondern häufig auch deren Verursacher. Ein Beispiel ist der gesamte Mittelmeerraum. Die Küstenbereiche waren einst durchgängig dicht bewaldet. Diese Wälder wurden über Jahrhunderte völlig abgeholzt. Im Altertum wurden die Akazienwälder des Sinai für die Kupferverhüttung vernichtet, die Römer ruinierten die nordafrikanischen Kornkammern und hinterließen Wüste, die Spanier und Venezianer holzten den Rest des Mittelmeerwaldes für den Schiffsbau ab und verursachten die Karst- und Steppenlandschaften von heute. Mit dem Schwinden der Wälder ging deren ausgleichende klimatische Wirkung verloren. Heutzutage verschwinden die tropischen Regenwälder um Weideflächen zu erhalten, die oft nur fünf Jahre Ertrag bringen.
Die abschließende Antwort auf die Frage, in welche Richtung sich der Einfluss der Zivilisation dauerhaft auswirkt, muss in einem chaotischen System offen bleiben. Erst wenn der Mensch z.B. Wetterprognosen über Wochen, nicht nur für wenige Tage, erstellen kann, hat er auch das Handwerkszeug um Klimaphänomene zu erklären. Niemand von uns wird dies in nächster Zukunft ernsthaft erwarten.

Ausblick

Allgemein anerkannte Klimaszenarien gehen nun von einem weiteren Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 1,8 Grad bis zum Jahr 2050 aus. Am Ende des 21. Jahrhunderts soll die Durchschnittstemperatur auf der Erde ja nach Szenario um 1,4 - 5,8 Grad Celsius höher liegen als heute und der Meeresspiegel um 10 bis 90 cm ansteigen [3]. Bereits ein mittleres Szenario würde für eine völlige Umwälzung der Verhältnisse sorgen. Bei einer solchen massiven Erwärmung der Erdatmosphäre werden wir den historischen Schwankungsbereich definitiv verlassen und in uns unbekannte Dimensionen vorstoßen. Die Schnee- und Eisbedeckung in der Nordhemisphäre und das Volumen alpiner Gletscher werden sehr wahrscheinlich weiter abnehmen. Ein Ansteigen der maximalen Windgeschwindigkeit und Niederschlagsintensität von tropischen Wirbelstürmen werden wahrscheinlicher, das Risiko von Trockenheit und Überschwemmungen steigt wahrscheinlich in vielen Gebieten. Im Jahr 2050 dürfte die Nordwestpassage entlang der kanadischen Nordküste für die Schifffahrt kommerziell längst nutzbar sein, das übrige Nordpolarmeer könnte in den Sommermonaten völlig eisfrei werden. Im 20. Jahrhundert ist das Packeis dort bereits um ein Viertel zurückgegangen. Ein weiterer Hinweis für das Schmelzen des arktischen Eises ist das Beringmeer zwischen Sibirien und Alaska, das in den letzten Jahren erstmals im Winter eisfrei war [4].
Das alles gilt auch für polferne Regionen, etwa am Kilimandscharo. Seit den Tagen der Erstersteigung durch Purtscheller und Meyer im Jahre 1889 ist dort die Vergletscherung auf die Hälfte zurückgegangen. In 100 Jahren, so die Prognosen, wird der berühmte Schnee des Kilimandscharo gänzlich verschwunden sein.
Der Massenverlust der Gletscher ist offensichtlich und im Gelände gut zu beobachten. Weniger spektakulär verhält es sich mit dem Eis im Untergrund, dem Permafrost. In den Alpen darf oberhalb von rund 2400 Meter generell mit Permafrostvorkommen gerechnet werden. Mancherorts kann dauernd gefrorener Untergrund sogar weit unterhalb der Waldgrenze auftreten. Die Untergrenze des Permafrosts ist in den Alpen seit 1850 teils bis zu 300 Höhenmeter angestiegen. Bei der prognostizierten weiteren Erwärmung der Erdatmosphäre würden in den Alpen die meisten Permafrosthänge unterhalb von 3000 Meter ganz aufschmelzen und destabilisiert, was u.a. vermehrt Murenabgänge verursacht.
Der enorme Massenverlust der Gletscher seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist ein globales Phänomen und ist auf einen Temperaturanstieg von lediglich 0,6 Grad Celsius zurückzuführen. Der prognostizierte weitere Temperaturanstieg, der wahrscheinlich sogar schneller als gegen Ende der letzten Eiszeit abläuft, würde ein weiteres Abschmelzen von bis zu drei Vierteln der aktuellen Gletscherfläche und eine Reduktion auf wenige Prozente des heutigen Eisvolumens bedeuten. So ist es kein übertriebenes Szenario, wenn sich in den kommenden 30-50 Jahren die Alpengletscher ganz auf die höchsten Regionen zurückziehen werden. Für die Schweiz rechnet man bis 2030 mit einem Rückgang der Gletscher um mindestens 20 Prozent. In den Ostalpen werden lediglich oberhalb von 3400 Meter Gletscher zu finden sein, und diese nur noch als isolierte Reste [5]. Die Marmolada wird in dieser Zeitspanne ihren Gletscherschmuck ebenso völlig einbüßen wie der Habicht, die Feuersteine oder die Umgegend der Franz-Senn-Hütte. Die Sommerskigebiete im Hochstubai veröden genau so wie die am Tuxer Gletscher.
Die großen Flüsse, die den Alpen entspringen, tragen die Auswirkungen des Gletscherschwunds ins Flachland hinaus. Gletscher speichern die winterlichen Niederschläge und geben das Wasser im Sommer während der Vegetationsperiode wieder frei, mildern so vielerorts die dann höhere Verdunstung. Dauerhaft sinkende Flusspegel auf Rhône, Rhein, Donau und Po werden die Schifffahrt genau so beeinträchtigen wie die Trinkwassergewinnung oder die Energieerzeugung.
Wir sind tatsächlich Zeuge eines außergewöhnlichen Klimawandels. Wenige erdgeschichtliche Prozesse lassen sich innerhalb einer menschlichen Lebensspanne beobachten. Wer heute als Jugendlicher über Stirnmoränengeröll zu einer Gletscherzunge ansteigt, wird im Alter dort tatsächlich durch junge Lärchenwälder schreiten können [6]. In 150 Jahren, so ist zu erwarten, haben die Ostalpen ihre letzten Gletscherflächen verloren. Gletschertouren als Virtual Reality in den Freizeitparks von Brühl oder Soltau werden für viele der Ersatz sein.


  • [1] Von Permafrost spricht man, wenn der Untergrund über mindestens ein Jahr kälter als 0 Grad Celsius ist.
  • [2] Jahresdurchschnittsrekorde in Grad Celsius am Beispiel der Messstation Frankfurt-Palmengarten des DWD: 1. 1994 (12,0), 2. 2000 (11,9), 3. 2003 (11,8), 4. 2002 (11,7), 5. 1999 (11,6), 6. 1990 (11,5), 7. 1992 (11,3) und 1989 (11,3). Der langjährige Schnitt für diese Station liegt bei 9,9 Grad Celsius.
  • [3] 3. UN-Report des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), Bern 2001. Das IPCC betont jedoch, dass sich die Folgen des Klimawandels durch technische und organisatorische Maßnahmen sowie durch Änderung der Verhaltensmuster signifikant mildern lassen und dass die meisten dieser Maßnahmen mit geringen Kosten bzw. sogar mit Gewinnen verbunden sind.
  • [4] Hier verbirgt sich bereits eine der größten Fallgruben für weitere Prognosen, der Golfstrom im Nordatlantik. Er ist eine der entscheidenden Wetterküchen auf der Nordhalbkugel. Der oberflächennahe warme Meeresstrom gleicht die erheblichen Unterschiede von Temperatur und Salzgehalt zwischen Karibik und Nordpolarmeer aus. Wenn das Nordpolarmeer überwärmt wird, verringerte sich seine Sogwirkung und der Meeresstrom verlöre an Mächtigkeit, könnte sogar versiegen. Erlahmt so die Zufuhr warmen Karibikwassers nach Nordwesteuropa, kühlt Skandinavien ab und das Klima würde dort bei ursächlicher Erderwärmung kälter. Tatsächlich hat der Golfstrom in den vergangenen 50 Jahren ein Fünftel seiner Mächtigkeit verloren.
    Ein klassisches Beispiel für gegenläufige, kaum berechenbare Systemkomponenten. Die Eiszeiten auf der Nordhalbkugel dürften auf diese Weise eingeleitet worden sein.
  • [5] Einer der wissenschaftlich am besten beobachteten Gletscher ist der Vernagtferner in den Ötztaler Alpen. Vergl. hierzu Kommission für Glaziologie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München und Institut für Meteorologie und Physik Universität für Bodenkultur, Wien.
  • [6] Zu diesem Thema lohnt eine Besichtigung der Gletscherlehrpfade am Aletschwald in den Berner Alpen und am Morteratsch-Gletscher in der Berninagruppe. Leicht zugänglich ist auch die Gletscherrückzugslandschaft vor dem Rhônegletscher in der Zentralschweiz zwischen Grimsel- und Furkapass.
  • [7] Die Namen der Perioden entsprechen der Lage von Flüssen im Alpenvorland, an denen die jeweils entferntesten Endmoränen zu finden sind.
  • [8] Ergebnis u.a. aus Pollenanalysen von Moorböden im Stubaital.
  • [9] Erdgeschichtlich betrachtet war der Kohlendioxid-Anteil der Atmosphäre sehr lange höher als heute. Dennoch ist es in den letzten 950 Millionen Jahren der Erdgeschichte mehrfach zu Eiszeiten gekommen. Untersuchungen belegen eine Korrelation zwischen Kohlendioxid-Anstieg und Temperaturentwicklung auf der Erde seit 1850. Wesentlich besser lassen sich aber die Temperaturänderungen mit der Länge der Sonnenflecken-Zyklen korrelieren. Längere Sonnenflecken-Zyklen entsprechen höheren Temperaturen. Satellitendaten lassen darauf schließen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Sonnenwind, Erdmagnetfeld und Wolkenbildung bestehe. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover.

 


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